Als ich am frühen Vormittag in Lüneburg starte, liegt noch ein leichter Nebel über der Altstadt. Ich rolle die erste Kilometer über die B4 hinaus, lasse die Stadt hinter mir und tauche in die Weite der Elbmarsch ein. Schon kurz hinter Bardowick verändert sich die Stimmung – flacher, ruhiger, weiter. Ich passiere Handorf, die Felder sind weit geöffnet, die Straße zieht in langen Bögen durch die Landschaft. Die Luft riecht nach feuchtem Gras, und das Motorrad schnurrt entspannt unter mir.

Hinter Winsen (Luhe) biege ich ab in Richtung Stöckte und Hoopte. Die kleine Dorfstraße schlängelt sich zwischen Fachwerkhäusern hindurch, später öffnet sich der Blick auf den Elbdeich. Die ersten Schafe stehen neugierig am Zaun, typisch norddeutsche Szenerie. Ich fahre die Elbuferstraße entlang, habe immer wieder kurze Momente, in denen die Elbe zwischen den Bäumen auftaucht – ruhig, breit, fast majestätisch.

Ich folge der Strecke elbabwärts, fahre über kleine, kurvige Marschwege Richtung Wedel. Die Straßen sind schmal, aber gut fahrbar. Der Wind frischt auf, und ich merke, wie die Landschaft immer offener wird. Hinter Holm und Heist wird es ländlicher, dann erreiche ich Elmshorn – hier rolle ich einfach durch, ohne größeren Halt, und halte Kurs Richtung Glückstadt.

Kurz hinter dem Stadtrand taucht plötzlich dieser weite, helle Horizont auf, und ich spüre, dass Glückstadt nicht mehr weit ist. Ich rolle über Kopfsteinpflaster auf den Marktplatz zu – typisch norddeutsch, charmant, klein, maritim. Der Hafen wirkt heute besonders ruhig. Ein paar Kutter liegen im Wasser, Möwen kreischen, und ich gönne mir einen Moment am Kai. Die Mischung aus Backstein, Wasser und salziger Luft holt mich sofort runter.

Eine Pause mit alkoholfreiem Weissbier und einer Currywurst.

Nach einer kleinen Pause fahre ich die letzten Meter zum Fähranleger. Die Rampe ist frei, ich rolle entspannt auf die Fähre. Der Motor verstummt, der Wind übernimmt. Ich lehne mich ans Geländer und schaue der Elbe zu, wie sie träge vorbeizieht. Containerfrachter, Schubverbände, Möwen, Wind – und die leichte Vibration der Fähre. Für diese Momente fahre ich Motorrad.

Blick auf die Elbe von der Fähre Glückstadt nach Wischhafen.

Drüben in Wischhafen rollt die Fähre über die Rampe, und kaum ist das Klacken der Metallplatten verklungen, setze ich meine Tour fort. Die Landschaft auf der niedersächsischen Seite wirkt noch ein Stück weitläufiger als zuvor. Ich folge der Straße durch Dornbusch und Oederquart, kleine Orte mit viel Backstein und Höfen, die fast im Nichts stehen. Hinter Neuhaus (Oste) öffnet sich die Landschaft erneut, und der Wind kommt vom Wasser herüber.

Weiter geht’s über Balje und Krummendeich, vorbei an alten Leuchtturmwärterhäusern und Obsthöfen. Das Licht der Elbmarsch ist hier irgendwie anders – weicher, weiter, klarer. Es folgt ein langgezogener Bogen Richtung Jork. Je näher ich dem Alten Land komme, desto dichter stehen die Apfelbäume am Straßenrand. Die Höfe wirken fast filmreif: reich verzierte Giebel, gepflegte Gärten, alte Klinkerbauten, die Geschichten erzählen.

Ein Stück weiter erreiche ich Steinkirchen und schließlich den Lühe-Anleger. Motorräder stehen hier eigentlich immer. Manche kommen wegen des Ausblicks, manche wegen des Eises, manche einfach nur, um ein paar Minuten den Kopf frei zu kriegen. Auch ich bleibe kurz stehen. Die Luft riecht nach Wasser und Obstblüte, ein leichter Wind zieht über den Anleger. Ein Schiff setzt zur anderen Seite über, die Elbe glitzert in der Sonne – es ist einer dieser Momente, in denen man das Visier hochklappt und einfach nur da ist.

Von hier aus folge ich den kleinen Wegen quer durchs Alte Land. Durch Mittelnkirchen, Neuenkirchen und Jork gleite ich vorbei an endlosen Plantagen. Manchmal steht ein Hofcafé am Straßenrand, manchmal ein kleiner Verkaufsstand mit frischen Äpfeln. Die Straßen sind schmal, aber wunderbar zu fahren – genau richtig, um im Fluss zu bleiben.

Hinter Stade wechselt der Charakter der Landschaft ein letztes Mal. Mehr Wald, mehr kleine Dörfer, längere Kurven. Über Agathenburg und Horneburg rolle ich weiter Richtung Buxtehude, durchquere die Stadt nur kurz und nehme danach eine ruhigere Route über Daensen, Ketzendorf und Dierstorf zurück Richtung Winsen.

Als ich am späten Nachmittag wieder zuhause ankomme, fühlt sich die Tour rund an. Nicht spektakulär im Sinne großer Höhenmeter – aber reich an Atmosphäre, Licht, Landschaft und Ruhe. Eine Tour, die nicht fordert, sondern begleitet. Eine, die den Kopf frei pustet und den Tag erfüllt.

Ich stelle das Motorrad ab, ziehe die Handschuhe aus und merke, wie angenehm müde ich bin. Genau so soll sich eine Tagestour anfühlen.